„Il Vecchio“ war schon vor der Messe mein privater Geheimtipp und mein Riecher hat mich nicht getäuscht. Wir spielen die Oberhäupter der 4 Adelsfamilien Strozzi, Albizzi, Sforza und Visconti und streben danach, die langjährige Dynastie derer von Medici (und vor allem deren Oberhaupt, dem Il Vecchio)zu beenden.
Dazu reisen wir durch die Landen Italiens während des 15. Jhdts. und platzieren unsere Familienmitglieder in strategisch wichtigen Provinzen. Die anderen Adelshäuser versuchen ebenfalls die Vorherrschaft zu erlangen und so beginnt das Meucheln und Intrigieren.
Wenn wir die florentinische Brille mal kurz abnehmen, befinden wir uns natürlich, wie üblich, reinweg auf Siegpunktejagd.
Jeder Spieler erhält Spielfiguren, mit denen er pro Zug eine von fünf verschiedenen Aktionen durchführen kann:
Reisen und Marker sammeln: Entweder gegen Bezahlung oder umsonst mit einer Kutsche. Am Zielort angekommen, kann man verschiedenen Marker einsammeln, die man während des weiteren Spielverlaufs benötigt. So gibt es z.B. Kutschen , Geld, Bischöfe, diverse Gefolgsleute und Schriftrollen
All diese Marker benötige ich im Spielgeschehen, um meine Familienmitglieder auf den Machtleisten voranzubringen (Siegpunkte) oder um mir gewisse Boni zu erspielen.
Reisen und Provinzplättchen sammeln: In den Außenprovinzen befinden sich die angesprochenen Machtleisten, die mir Siegpunkte in der Endwertung bringen und die Macht des Il Vecchio schwinden lassen, je weiter man Familienmitglieder dort einsetzt. Außerdem erhalte ich hier ebenfalls einmalige Boni, wie weitere Marker etc. Die unterwegs eingesammelten Gefolgsleute und Moneten brauche ich hier, um mir den Zutritt zu verschaffen.
Reisen und Stadtrats-/Adelsplättchen sammeln: In Florenz gibt es 2 weitere Machtleisten, die mir wiederum Siegpunkte bescheren. Außerdem kann ich hier die genannten Plättchen sammeln, welche mir fortwährende (statt einmalige) Boni bringen. Dafür benötige ich u.a. die unterwegs eingesammelten Schriftrollen.
Verstärkung: Mit dieser Aktion kann ich weitere Familienmitglieder ins Spiel bringen
Erholung: Hiermit regeneriere ich alle meine erschöpften Familienmitglieder. Müde vom dauernden Reisen, müssen sie sich an jedem bereisten Ort niederlegen und können damit fürs Erste nicht mehr eingesetzt werden. Ausnahme: ich setze einen Bischof ein, dann bleibt die Figur stehen.
Dann wären da noch die wichtigen Mittelsmänner, ihrer 5 an der Zahl. Diese bewegen sich ebenfalls von Ort zu Ort. Bereise ich nämlich einen Ort, wo ein Mittelsmann steht, bezahle ich nur die Reisekosten, lege meine Figur hin und erhalte die Marker. Ist kein Mittelsmann vor Ort, muss ich einen Bischof einsetzen. Hab ich keinen Bischof und es ist kein Mittelsmann dort, kann ich den Ort nicht bereisen (Ausnahme grüne und rote Orte, sprich die Außenprovinzen mit den Machtleisten und Orte, wo ich Geld bekomme.). Bischöfe werden also dringend für die Spezialorte benötigt und deshalb versucht man möglichst, ansonsten den Mittelsmännern hinterher zu reisen.
Das Spiel endet, wenn Il Vecchio seine letzte Macht (in Form von Wappen) verloren hat und dann werden Siegpunkte ausgewertet.
Fazit: Die relativ simplen Spielmechanismen von „Il Vecchio“ sind nichts Neues, aber hier sind sie gekonnt zu einem strategisch schönen, runden Spiel zusammengefasst. Wie mein Vorredner schon festgestellt hat, handelt es sich um ein äusserst feines Süppchen aus verschiedenen Mechanismen, die nahtlos ineinandergreifen. Ich würde mich nicht wundern, wenn wir „Il Vecchio“ im nächsten Jahr als Preisträger irgendwo wiedersehen würden. Das stabile Material ist ausnahmslos gut und kommt ohne knallige Farben aus. Eine Übersichtskarte für jeden Mitspieler und ein Spielplan mit selbsterklärenden Symbolen erleichtern den Spielablauf, so dass die simple Regel bald nicht mehr gebraucht wird und höchstens noch zur Erläuterung der verschiedenen Boni-Karten dient.
Il Vecchio spielt sich relativ schnell und dauert insgesamt auch nicht so wahnsinnig lange. Sicher ist es kein "Agricola", damit kann man es nicht vergleichen. Das wäre wie Schach und Mühle miteinander zu vergleichen. Beides Grüblerspiele, nur dass das Eine eben wesentlich länger dauern kann. Ich würde es in die Kategorie "Taktikspiele für Gelegenheitsspieler" ansiedeln. Der geringe, aber doch vorhandene Glücksfaktor lockert das Ganze noch ein wenig auf. Auch für Vielspieler ist es sicherlich geeignet, wenn man mal nicht 3 Stunden dasselbe Spiel spielen möchte.
Mir ist das Spiel 5 Punkte wert.
Bewertungssystem:
1 = totaler Schrott, ab in die Presse
2 = unterdurchschnittlich, allenfalls für Fans des Themas
3 = Durchschnitt, kann man mal spielen
4 = solides Spiel, macht Spaß, kann man öfters spielen
5 = sehr gutes Spiel, hoher Spaßfaktor
6 = DAS Spiel, darf in keiner Sammlung fehlen